Überprüfung der Vergabe des Kulturförderpreises 2024 an Leila Moon

Gerne hätten wir an dieser Stelle Leila Moon gratuliert. Die DJ und Musikproduzentin Leila Moon sollte den Basler Kulturförderpreis 2024 für ihr langjähriges Wirken in der lokalen Musik- und Clubszene erhalten. Dies wäre eine bedeutende Anerkennung und auch für andere marginalisierte Kulturschaffende ein wichtiges Signal. 

Daher sind wir umso empörter über die Interpellation seitens Joël Thüring und der SVP, die prompt auf die öffentliche Mitteilung der Auszeichnung folgte. Leila Moon ist eine wichtige Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost. Sie prangert seit Jahren die Unterdrückung der palästinensischen Bevölkerung durch die vor Kurzem erneut als illegal bestätigte Besatzung Israels und die anhaltende Vertreibung von Palästinenser:innen seit Israels  Staatengründung 1948 an. Demgemäss protestiert sie auch gegen die beispiellosen Gewaltexzesse, die Israel seit Oktober 2023 an der Bevölkerung in Gaza verübt. Die Übereinstimmung der Kriegsmethoden mit denen eines Genozids wurde kürzlich (14. November 2024) durch ein Spezial-Komitee der UN offiziell bestätigt. Insofern sind die Aussagen in Thürings Interpellation einseitig, desinformierend und hetzerisch.

Vorwürfe des Antisemitismus, der Gewalt und des Terrorismus gegen die Palästina-Solidaritätsbewegung sind zwar nicht neu, erscheinen aber angesichts des laufenden Genozids, der vollständigen Zerstörung des Gazastreifens und der Angriffe Israels auf die ganze Region als besonders zynisch. Wie ist es angesichts dessen hinnehmbar, dass Kritik an Israels Handlungen mit solch unverhohlener Ignoranz und intensivem Derailing 1begegnet wird? Wir möchten die Leser*innen daran erinnern, dass Antisemitismus für Diskriminierung, Vorurteile, Feindseligkeit oder Gewalt gegen Jüdinnen*Juden aufgrund ihres Jüdischseins steht. Politische Positionen, die zionistischen Absichten und Haltungen widersprechen oder diese kritisieren, fallen nicht unter diese Kriterien. So erinnert die Jerusalemer Erklärung (JE) daran, dass Boykott, Desinvestition und Sanktionen oder „die Unterstützung von Vereinbarungen, die allen Bewohner*innen ‚zwischen dem Fluss und dem Meer‘ volle Gleichheit gewähren, sei es in zwei Staaten, einem binationalen Staat, einem einheitlichen demokratischen Staat, einem Bundesstaat oder in welcher Form auch immer“ (Punkte 12 und 14) nicht antisemitisch sind.

Leila Moons Aussagen auf ihrem Instagram-Profil sind es daher ebensowenig wie ihr Boykott von Institutionen, die mit Künstler*innen aus Genozid verübenden Staaten zusammenarbeiten, wenn dieselben Künstler*innen sich nicht explizit gegen den Genozid stellen. Beides steht unter dem Recht auf freie Meinungsäusserung. Letzteres ist als Form des kulturellen Boykotts zu begreifen.

Obwohl der Preis ungeachtet des politischen Engagements von Leila Moon verliehen wurde und allein ihren Leistungen in Kunst, Kulturvermittlung und lokaler Vernetzung gilt, freuen wir uns, dass auch hier Palästinasolidarität Sichtbarkeit erlangt. Jene ist nämlich in der Bevölkerung breit abgestützt.

Wir befinden die Interpellation bei Berücksichtigung der Fakten und des hiesigen diskursiven Kontextes für nichtig. Dass das Präsidialdepartement und die Abteilung Kultur sich von der rechten Hetze unter Druck setzen liessen und nun sowohl die Verleihung abgesagt haben als auch den Preis zurückhalten, bestürzt uns. Diese übereilte Reaktion hinterlässt keinen guten Eindruck von der politischen Unabhängigkeit der Basler Kulturförderung. 

Zudem ist die Begründung darüber, warum die Verleihung abgesagt wurde und die Vergabe neu evaluiert wird, für uns nicht stichhaltig. Leila Moons Boykottentscheidung steht gerade nicht der Vernetzung entgegen, für die Leila Moon zunächst den Preis erhielt. Vielmehr ist ihr politischer Aktivismus Zeugnis ihrer moralischen Integrität im Angesicht eines laufenden Genozids.

Leila Moon soll gemäss des Entscheids der unabhängigen Jury der Kulturförderpreis 2024 verliehen werden. Zudem begrüssen wir es, wenn sich das Präsidialdepartement und die Abteilung Kultur bei Leila Moon offiziell für diese unangenehme Episode entschuldigen. Vom Grossen Rat und insbesondere von den linken Parteien fordern wir aufrichtige Solidarität mit Leila Moon

  1. Als Derailing wird eine besonders von Rechten genutzte rhetorische Taktik bezeichnet, bei der mit unlauteren Mitteln heftig vom ursprünglichen Diskussionsgegenstand abgelenkt wird, um den Gesprächsverlauf von vornherein zu bestimmen und so Kritik unmöglich zu machen. ↩︎